Präsident Eberhard Sinner begrüßt die anwesenden Referenten und Gäste. Er weist auf die enorme wirtschaftliche Entwicklung Indiens in den letzten Jahren, aber auch auf die Probleme Indiens mit seinen Nachbarstaaten China und Pakistan hin. Indien ist das bevölkerungsreichste Land der Erde mit einer sehr jungen Bevölkerung. Es wächst immer mehr in die Rolle eines geopolitischen Schwergewichts hinein.
Konsul Amir Bashi überbringt die Grüße des indischen Generalkonsuls in München, Mr. Mohit Yadav und geht dann auf die aktuelle wirtschaftliche Situation Indiens ein.
Indien hat sich in den letzten zehn Jahren als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt etabliert. Das Land ist heute die fünftgrößte Volkswirtschaft, gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die indische Wirtschaft zeichnet sich durch eine robuste interne Nachfrage, eine große und junge Bevölkerung sowie zunehmende Investitionen in Infrastruktur und Technologie aus. Trotz Herausforderungen wie der COVID-19-Pandemie konnte Indien seine Wirtschaft rasch erholen und bleibt ein attraktiver Standort für Investitionen.
In den letzten zehn Jahren hat Indien ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von etwa 6-7 % pro Jahr verzeichnet, obwohl es in dieser Periode auch Schwankungen gab. Besonders bemerkenswert ist das Wachstum im Dienstleistungssektor, der einen wesentlichen Beitrag zum BIP leistet. Auch die Industrialisierung und Urbanisierung haen das Wirtschaftswachstum gefördert.
Die Kaufkraft in Indien hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert. Das Pro-Kopf-Einkommen ist gestiegen, und die Mittelschicht wächst stetig. Mit dieser Entwicklung einhergehend hat sich auch die Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen erhöht, was sowohl inländische als auch ausländische Unternehmen anzieht. Trotz regionaler Unterschiede und anhaltender Armut in bestimmten Gebieten ist die Kaufkraft insgesamt gestiegen, was den Konsummarkt in Indien stark beeinflusst.
Der Handelsaustausch zwischen Deutschland und Indien hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Im Jahr 2022 betrug das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern etwa 30 Milliarden Euro. Deutschland exportiert hauptsächlich Maschinen, chemische Erzeugnisse, und Automobilteile nach Indien, während Indien vor allem Textilien, Chemikalien, Elektronik und Nahrungsmittel nach Deutschland exportiert. Indien ist ein wichtiger Partner für Deutschland in Asien, und beide Länder arbeiten eng in Bereichen wie Technologie, Automobilindustrie und erneuerbare Energien zusammen.
Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien, wenn sie erfolgreich abgeschlossen werden, könnten den bilateralen Handel weiter ankurbeln. Der zunehmende wirtschaftliche Austausch und die starke industrielle Basis beider Länder bieten zahlreiche Möglichkeiten für zukünftige Kooperationen.
Zusammenfassend bieten die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Indien eine solide Grundlage für eine vertiefte Zusammenarbeit. Die Stärkung dieser Partnerschaften könnte nicht nur beiden Ländern, sondern auch der globalen Gemeinschaft zugutekommen.
Ministerialrat Dr. Bernd Forster ist der für Indien zuständige Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Europa und Internationales. Als ehemaliger deutscher Vizekonsul in Mumbai kennt er das Land aus eigener Erfahrung.
Die Geschichte der Beziehungen zwischen Bayern und Indien ist geprägt von stetigem Wachstum. 1988 wurde das indische Generalkonsulat in München eröffnet. Bereits 2001 war Indien wichtiger Teilnehmer bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Indien ist heute die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, und Bayern hat diese Entwicklung frühzeitig erkannt. Die Verhandlungen zwischen der EU und Indien über ein Freihandelsabkommen sind ein wichtiger Schritt zur weiteren Intensivierung der Handelsbeziehungen. Das Handelsvolumen zwischen Bayern und Indien nimmt stetig zu. Indien könnte bald zu den Top 20 Handelspartnern Bayerns gehören, aktuell liegt es auf Platz 23. Über 1000 bayerische Unternehmen sind bereits in Indien tätig, während 90 der 200 in Deutschland tätigen indischen Unternehmen ihren Sitz in Bayern haben.
Der Wissenschaftsbereich ist ein weiterer zentraler Pfeiler der bayerisch-indischen Beziehungen. Es gibt 80 Hochschulkooperationen zwischen Bayern und Indien, darunter das Büro der Technischen Universität München (TUM) in Mumbai. Das 2008 in Hof gegründete Bayerisch-Indische Zentrum für Wirtschaft und Hochschulen (BayInd) hat eine Niederlassung in Bangalore, was die wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter intensiviert. Auch die Fraunhofer-Gesellschaft ist in dieser Kooperation aktiv.
Die Zahl der indischen Studierenden in Bayern hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen, von etwa 1300 auf über 10.000, was sie zur größten ausländischen Studierendengruppe im Freistaat macht. Besonders interessant für die Zusammenarbeit sind die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Start-ups in Indien sowie die Gewinnung von Fachkräften. Indiens junge, gut ausgebildete Bevölkerung bietet zahlreiche Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit in der Zukunft.
Prof. Harseerat Kaur ist eine internationale Wirtschafts- und Neurowissenschaftlerin aus Punjab, Indien, ist als Professorin und Unternehmensberaterin für angewandte Neurowissenschaften in Wirtschaft und Marketing weltweit tätig. Mit einem Fokus auf Innovation und Kreativität berät sie Google zu digitalem Wachstum und Marketing in Großbritannien und Irland und lehrt an der EU Business School. Ihre preisgekrönte Masterarbeit im sensorischen Marketing spiegelt ihre Leidenschaft für die Integration von Neurowissenschaften in der Wirtschaft wider. Sie engagiert sich zudem für psychische Gesundheit, gleiche Bildungschancen und hat an hochkarätigen Veranstaltungen des Europäischen Parlaments teilgenommen.
Prof. Kaur zweigt die Bereiche auf, in denen beide Länder voneinander profitieren.
Handel und Investitionen: Der Handel zwischen Deutschland und Indien hat sich kontinuierlich entwickelt, wobei Deutschland wichtige Investitionen in die indische Automobilindustrie, Maschinenbau und Chemieindustrie tätigt. Umgekehrt expandieren indische Unternehmen in Deutschland, insbesondere in den Bereichen IT und Pharma. Ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien könnte den bilateralen Handel weiter steigern und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.
Industrie 4.0 und Digitalisierung: Deutschland kann Indien in der Modernisierung seiner Industrie und der Einführung von Industrie 4.0-Technologien unterstützen. Deutsche Expertise in der Automatisierung, KI und dem Internet der Dinge (IoT) bietet indischen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Produktionsprozesse zu modernisieren.
Erneuerbare Energien: Die Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien ist ein vielversprechendes Feld. Deutschland ist führend in Technologien zur Nutzung von Wind- und Solarenergie, während Indien ehrgeizige Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien verfolgt. Gemeinsame Projekte und Investitionen in diesem Bereich könnten zu einer nachhaltigen Energiezukunft beitragen.
Forschung und Entwicklung (F&E)
Die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung ist ein weiterer zentraler Bereich der deutsch-indischen Partnerschaft. Diese Partnerschaft umfasst:
Bildung und Hochschulkooperationen: Es gibt bereits zahlreiche Kooperationen zwischen deutschen und indischen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Programme wie das „Indo-German Science & Technology Centre“ (IGSTC) fördern gemeinsame Forschungsprojekte, insbesondere in den Bereichen Ingenieurwissenschaften, Biotechnologie, und Umweltforschung. Solche Kooperationen könnten weiter intensiviert werden, um den wissenschaftlichen Austausch zu fördern und Innovationen voranzutreiben.
Technologie und Innovation: Deutschland und Indien arbeiten gemeinsam an innovativen Technologien in Bereichen wie Elektromobilität, künstliche Intelligenz und Medizintechnik. Der Austausch von Wissen und Expertise in diesen Bereichen kann sowohl deutschen als auch indischen Unternehmen helfen, im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein.
Start-up-Ökosysteme: Beide Länder haben lebendige Start-up-Ökosysteme. Deutsche und indische Start-ups können durch gemeinsame Programme und Investitionen voneinander profitieren. Initiativen wie das „German-Indian Startup Exchange Program“ (GINSEP) fördern den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Start-ups beider Länder.
Prof. Kaur hat ein Papier zu den wichtigsten Diskussionspunkten der Veranstaltung erstellt.
Hier die während der Veranstaltung gezeigte Präsentation
Dipl.-Kfm. Christine Schickinger moderiert die anschließende allgemeine Diskussion.
Es werden Fragen zur möglichen Zusammenarbeit mittelständischer Unternehmen und zur Situation Indiens im Zusammenhang mit der Beziehung zu Russland gestellt.
Zwei der Gäste sind indische Unternehmer in Bayern und schildern kurz den Erfolgsweg ihrer Unternehmen.
Präsident Eberhard Sinner beginnt zum Abschluss der Veranstaltung sein Fazit mit einer interessanten Geschichte:
Die Idee, dass Bollywood, das indische Filmzentrum in Mumbai, durch Oberammergau in Bayern beeinflusst wurde, mag überraschend erscheinen, hat jedoch eine faszinierende historische Grundlage.
Oberammergau ist weltweit bekannt für seine Passionsspiele, die seit 1634 aufgeführt werden. Der entscheidende Moment in der Verbindung zwischen Oberammergau und der Entstehung von Bollywood liegt in der britischen Kolonialzeit, insbesondere im 19. Jahrhundert. Insgesamt kann man sagen, dass Oberammergau durch seine Passionsspiele eine Inspiration für indische Filmemacher war, die zur Entwicklung eines eigenen filmischen Stils führte, der heute als Bollywood bekannt ist.
Als demokratische Gegenspieler Chinas will Indien durch verschiedene Maßnahmen seine wirtschaftliche und geopolitische Position stärken.
Indien verfolgt eine umfassende Strategie, die den Ausbau von Überseehäfen, maritime Sicherheit und internationale Kooperationen umfasst, um eine Alternative zu Chinas „One Belt, One Road“ Initiative zu bieten. Während Chinas Initiative auf massive Infrastrukturinvestitionen und den Aufbau neuer Handelsrouten setzt, konzentriert sich Indien auf eine Kombination aus wirtschaftlicher Entwicklung, diplomatischer Zusammenarbeit und strategischer Militärpräsenz. Diese Ansätze sollen sicherstellen, dass Indien eine bedeutende Rolle im globalen Handel und in der geopolitischen Landschaft spielt, insbesondere im Indopazifikraum.
Die politische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien ist von einer engen Partnerschaft geprägt, die auf gemeinsamen Werten wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit basiert. Diese Zusammenarbeit könnte weiter ausgebaut werden:
Strategische Partnerschaft: Deutschland und Indien haben eine strategische Partnerschaft, die sich auf Bereiche wie Sicherheit, globale Herausforderungen und multilaterale Zusammenarbeit erstreckt. Beide Länder können ihre Zusammenarbeit in internationalen Gremien wie den Vereinten Nationen verstärken und gemeinsame Positionen zu globalen Themen wie Klimawandel, Terrorismusbekämpfung und Handelspolitik vertreten.
Geopolitische Zusammenarbeit: Indien ist für Deutschland ein wichtiger Partner in der Region Asien-Pazifik, insbesondere in Hinblick auf die sich verändernde geopolitische Landschaft. Die Zusammenarbeit im Indo-Pazifik könnte intensiviert werden, um Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region zu fördern.
Humanitäre Zusammenarbeit: Beide Länder können ihre Zusammenarbeit in humanitären Bereichen wie Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe ausbauen. Deutschland unterstützt Indien bereits in verschiedenen Entwicklungsprojekten, insbesondere in ländlichen Regionen.
Zusammenfassend bieten die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Indien eine solide Grundlage für eine vertiefte Zusammenarbeit. Die Stärkung dieser Partnerschaften könnte nicht nur beiden Ländern, sondern auch der globalen Gemeinschaft zugutekommen.