So geht Energiewende
Bürgermeister Erwin Karg begrüßte uns im Sitzungssaal des Rathauses in Fuchstal/Leeder und zeigte uns als erstes den der Gemeinde am gleichen Tag verliehenen bayerischen Klimaschutzpreis 2024, drei Jahre nach Verleihung des nationalen Nachhaltigkeitspreises.
Als er 2002 zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde, fand er vor: wenig Geld und keine Rücklagen.
Sein erstes Statement: „Energiewende geht immer, auch mit wenig Geld“!
Grundlage ist ein ausgewogenes Verhältnis von Photovoltaik und Windkraft. Die Stromernte aus der Photovoltaik ist naturgemäß im Sommerhalbjahr auf dem Höhepunkt, der Wind weht im Winterhalbjahr stärker. Dadurch ergibt sich ein in etwa gleichbleibender Stromertrag über das ganze Jahr.2006
Der Weg zur Energiewende war mehr zufällig. Es begann zunächst mit einer privaten Initiative zum Bau einer Biogasanlage im diesem Jahr, die von Anfang an darauf ausgelegt war, Strom zu erzeugen aber auch die dabei entstehende Wärme zu nutzen.
2009
Dieses Jahr markiert den Beginn der Energiewende in der Gemeinde. Allerdings mehr zufällig, es gab kein Ziel und dementsprechend auch keinen Plan der Umsetzung.Da dem Betreiber der Biogasanlage der Abnehmer für die Wärme absprang, machte er der Gemeinde das Angebot, diese Wärme zu nutzen. Die Mittelschule der Gemeinde hatte zu diesem Zeitpunkt eine erneuerungsbedürftige Ölheizung, also entschloss man sich, die angebotene Wärme zur Heizung der Schule zu nutzen. Es wurde eine erste Wärmeleitung mit einer Länge von ca. 1,7 km gebaut.
2010
Der Bauer eines des am besten geführte Bauernhofs im Ort entschloss sich in diesem Jahr, eine private PV-Anlage zu installieren. „Wenn dieser Bauer eine solche Investition unternimmt, muss es rentabel sein“, stellte Bgm. Karg fest. Also begann die Gemeinde, Photovoltaik zu installieren.
2011
Errichtung einer PV-Freiflächenlage auf einer aufgelassenen Kiesgrube. 2019 und 2021 wurden die Anlage erweitert und erreichen mittlerweile eine Jahresleistung von zwei MW. Für einen weiteren Ausbau wird überlegt, die Ausrichtung der Anlagen von Süd auf Ost/West zu ändern. Der größte Ertrag der PV ist bei Südausrichtung über die Mittagszeit, der größere Stromverbrauch ist aber am Morgen und am Abend.
2012
Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte, dass man in Bayern etwa 1.500 Windräder aufstellen müsse. Eine einfache Rechnung ergab, dass bei 71 Landkreisen jeweils etwas über 20 Windräder auf jeden Landkreis entfallen, wobei natürlich die vorhandenen Gegebenheiten zu berücksichtigen wären. Die Bürgermeister der Gemeinden im Landkreis Landsberg/Lech setzten sich also zusammen. Im nördlichen Landkreis Landsberg befindet sich der Fliegerhorst Lagerlechfeld, also schieden diese Gemeinden sofort aus. Der zentrale Bereich schied wegen der Untergrenze der Flughöhen um den Flugplatz aus. Also blieben nur noch die Gemeinden im südlichen Bereich: Unterdießen, Fuchstal und Denklingen.
Fuchstal machte sich sofort an die Überprüfung der möglichen Standorte, es wurden etwa 70 potentielle Standorte geprüft. Um alles in Gemeindehand zu behalten, war die Gemeinde selbst Projektant und beauftragte ein Ingenieurbüro mit der Planung.
Wie immer bei solchen Vorhaben regte sich Widerspruch in der Gemeinde. Über den Jahreswechsel 2013/2014 wurden Unterschriften für einen Bürgerentscheid gegen die Errichtung der Windkraftanlagen gesammelt. Das Quorum wurde erreicht. 2014 gab es im März die Kommunalwahl und im Mai die Europawahl. Einen zusätzlichen Termin für den Bürgerentscheid anzusetzen, wäre ein erheblicher Aufwand gewesen, also wurde der Bürgerentscheid zusammen mit der Europawahl angesetzt. Ergebnis: 52,7% lehnten den Antrag ab, die Anlagen konnten also errichtet werden.
Es war von Anfang an ein „Bürgerwindpark“ geplant. 50% der Anteile bleiben bei der Gemeinde, 50% konnten als Genossenschaftsanteile gezeichnet werden. Das Erreichen der notwendigen Summe bei der ersten Anlage gestaltete sich schwierig. Es beteiligten sich zu wenig Fuchstaler Bürger, so dass die Anteile im weiteren Umkreis angeboten wurden. Für die ersten vier Anlagen konnten 115 Anteilseigner gefunden werden.
Durch die frühe Entscheidung der Gemeinde, konnten alle Möglichkeiten der Förderung, günstiger Verträge und niedriger Kosten und Zinsen genutzt werden. Die Anlagen wurden im Wald der Bayerischen Staatsforsten errichtet. Mittlerweile - in acht Jahren - sind durch die Ausschüttung der Erträge die getätigten Einzahlungen fast kompensiert. Die Gemeinde hat einen jährlichen Ertrag von etwa 1 Mio Euro für das Gemeindebudget.
2016
Die ersten vier Windkraftanlagen gehen in Betrieb. Zur Ableitung des erzeugten Stroms wurden 30 km 20-kV Stromkabel verlegt.
In diesem Jahr wurde ein Bundesförderprojekt zur CO2 - Einsparung aufgelegt. Gefördert wurde nach der Devise: möglichst geringer Einsatz - möglichst hohe Einsparung. Mit diesen Vorgaben entstand das Projekt Wärmetopf, eine Power to heat - Anlage. Es wurde ein Antrag auf ein Fassungsvermögen von 10.000 m3 gestellt. Bei der Projektierung stellte sich aber heraus, dass es sinnvoller wäre, den Überschussstrom in einen Batteriespeicher einzuspeisen. „Überschussstrom“ ist Strom der erzeugt wird, wenn zu viel Strom ins Netz eingespeist wird und die PV- und Windkraftanlagen zwangsweise abgestellt werden
Daher wurde das Fassungsvermögen auf 5.000 m3 und ein Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit 5,6 MW Kapazität errichtet. Die gesamte Anlage ging 2021 in Betrieb, kostete 5,9 Millionen Euro und wurde mit 75% gefördert.
2019
Der rentable Betrieb der vier Windkraftanlagen führte zum Beschluss, weitere drei Anlagen zu errichten. Auch hier setzte man auf das bewährte Konzept der Bürgerbeteiligung und schrieb wieder Anteile zum Erreichen der 30% Eigenkapitalanteil aus. Das Ergebnis war dieses Mal konträr zur ersten Ausschreibung. Es hatte sich herumgesprochen, dass ein Anteil an den Windkraftanlagen eine rentable Investition ist. Die Anteile waren schnell überzeichnet, so dass man dieses Mal 256 Anteilseigner berücksichtigen konnte.
2023
Weitere drei Windkraftanlagen wurden angeliefert und aufgebaut. Die Anlagen sollten im Oktober 2023 ans Netz gehen. Bei Überprüfung der Rotorblätter stellte sich heraus, dass alle neun durch falsche Lagerung auf dem langen Transportweg (Anlieferung aus China!) Längsrisse im nicht mehr tolerierbaren Länge aufwiesen und dementsprechend alle ausgetauscht werden mussten. Ein Rotor ist so beschädigt, dass er auch nicht mehr recycelt werden kann und wartet immer noch auf seinen Abtransport auf dem Zwischenlager. Nach Einbau der neuen Rotorblätter gingen die Anlagen im April 2024 in Betrieb.
2024
Derzeit wird in Zusammenarbeit mit den Hochschulen München, Augsburg und Braunschweig ein Versuchsprojekt für einen Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff entwickelt. Dieses Projekt soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein.
Durch diese Maßnahmen wird es möglich sein, in Zusammenarbeit mit dem Netzbetreiber einen Inselbetrieb zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung im Fuchstaler Gebiet bei möglichen großflächigen Stromabschaltungen zu gewährleisten. Solche Energieinseln sind auch für das Hochfahren der Energieversorgung nach einem Black out enorm wichtig.
Im Anschluss an die ernsten aber humorvoll vorgetragenen Fakten im Rathaus ging es mit dem Bus zur Besichtigung der Windkraftanlagen. Angekommen bei der ersten Anlage, die sich etwa fünf Kilometer vom Ortszentrum Leeder entfernt befindet, war leider fast nichts zu sehen. Der Nebel hüllte den Rotor ein und dieser bewegte sich auch nur ganz langsam. Dieses Windrad ist das am weitesten im Süden stehende Windrad der ersten vier Windräder. Die Anlagen stehen in einer Reihe mit einem Abstand von etwa 600 Meter. Wie wir hören konnten, lief das nächste, weiter nördlich stehende und auch das nächstgelegene neue, südlich stehende Windrad. Dieses Phänomen tritt relativ oft auf, dass eines der Windräder sehr wenig, alle anderen aber ausreichend Wind haben.
Etwa 200 Meter vom Windrad entfernt zeigte uns Karg eine weiteres Pilot- und Forschungsprojekt: Die erste Vogelmonitoringanlage in einem Waldgebiet. Das Projekt wird von der TUM Weihenstephan durchgeführt. Die Kosten von ca. 1,2 Millionen Euro trägt der Staat. Beim Bau der ersten Anlagen gab es keinerlei Probleme mit dem Rotmilan. Innerhalb von wenigen Jahren hat sich aber im fraglichen Gebiet die Population versechsfacht.
Die Anlage mit zwei Überwachungstürmen reagiert, sobald ein Rotmilan im Anflug noch 350 Meter von einer Anlage entfernt ist, fährt die Anlage langsam herunter und dreht sie aus dem Wind. Der Schutz der Vögel ist so gewährleistet, die Anlage arbeitet einwandfrei. Die Abschaltdauer beträgt pro Windrad etwa 30 Minuten täglich.
Danach fuhren wir zu einem der neuen Windräder, die 20 Meter höher sind und entsprechend längere Rotorblätter haben. Der Ertrag der drei neuen Anlagen entspricht daher dem der vier älteren. Auch konnte das Fundament verkleinert werden. Das Fundament ist auf der Bodenoberfläche erstellt, die Anlage steht etwa zwei Meter über dem Bodenniveau und greift damit in keiner Weise in Grundwasserströme ein, wie oft fälschlich behauptet wird.
Auffallend war eine größere freie Fläche im Umkreis der Anlage. Die Waldrodung ist notwendig für den Aufbau des Krans und die Lagerung der Rotorblätter. Da man davon ausgeht, dass ein Generator eine Lebensdauer von etwa 20 Jahren hat, ist es notwendig, die Fläche für den dann wieder notwendigen Aufbau eines Krans freizuhalten. Eine Wiederaufforstung verbietet sich aus diesem Grund.
Daher dachte man an eine „Kurzumtriebsplantage“ mit schnellwachsenden Hölzern, die dann zu Hackschnitzel verarbeitet werden können. Bei einer Bodenuntersuchung stellte sich aber heraus, dass der Boden so verdichtet ist, dass eine Anpflanzung nicht möglich wäre.
Die Anlagen stehen alle im Sachsenrieder Forst, dem zweitgrößten zusammenhängenden Waldgebiet in Oberbayern, teilweise in gemeindeeigenem Wald und teilweise in den Staatsforsten. Karg ging kam hier kurz auf die Forstwirtschaft zu sprechen, Fuchstal beschäftigt sich auch mit der Waldverjüngung. Das Gebiet ist eines der wenigen in Deutschland, wo Fichten noch nachhaltig wachsen können. Zwischen den Fichten wachsen als Laubbäume hauptsächlich Buchen, die aber anfangs schneller wachsen als die Fichten und damit deren Wachstum verhindern. So muss man hier das zu starke Ausbreiten der Buchen verhindern.
Jetzt ging es zur letzten Station unserer Besichtigung, dem Herz der gesamten Energieanlagen mit der Steuerung und Überwachung der verschiedenen Anlagen: Biogas, Holzschnitzelheizung, PV-Anlagen, Windkraft und ein kleines Wasserkraftwerk im Lech. Hier steht der Batterieblock und der Wärmetopf. Die Batterie wird optimal geladen und hat so immer zwischen 50% und 80% der Maximalkapazität. Im Wärmetopf ist das Wasser geschichtet, im unteren Bereich beträgt die Temperatur ca. 50°, im oberen Bereich ca. 90°.
Erwärmt wird alles nach dem Kostenprinzip, als erstes die günstigste Wärme aus der Biogasanlage, dann Stromüberschuss und im Bedarfsfall mit Hackschnitzel.
Im Moment gibt es drei Heizkreise: die schon lange angeschlossene Mittelschule mit Sporthalle und Kindergarten. Ein Kreislauf versorgt Teile von Leeder, ein weiterer Teile von Asch. Der Bau der Leitungen ist teuer, so dass immer dann, wenn Straßenarbeiten (Kanal u.ä.) notwendig werden, gleichzeitig die Rohre für die Fernheizung verlegt werden. Die Möglichkeit für zwei weitere Heizkreise ist vorhanden.
Bei der Fernheizung ist zu berücksichtigen, dass sie sich vor allem für ältere Einfamilienhäuser lohnt. Die Beheizung von Mehrfamilienhäusern ist problematisch, da auf Grund des Legionellen-Problems bei einer Warmwassertemperatur unter 60° C die Warmwassererwärmung auf 70° C erfolgen muss, was mit der vorhandenen angelieferten Wärme alleine nicht möglich ist. Der Bau der Anschlussleitungen ist auch ziemlich kostenaufwendig, so dass sich auch ein Anschluss einzeln stehender Gebäude nicht rechnet.
Abschließend verriet uns Bürgermeister karg noch das Geheimnis des Erfolgs:
Abschließend verriet uns Bürgermeister karg noch das Geheimnis des Erfolgs:
- rechtzeitig für die Allgemeinheit planen
- Einzelinteressen müssen demgegenüber zurückstehen
- alle angebotenen Förderungen ausschöpfen - nachhaltig planen.
Fuchstal hat etwa 1,5 Millionen Euro jährliche Einnahmen aus Gewerbesteuer, dazu kommen die Erträge der nachhaltigen Energieerzeugung von 1 - 1,4 Millionen Euro und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung - die Gemeinde hat einige Wohnhäuser errichtet und verpachtet Gewerbegrund - von weiteren etwa 0,5 Millionen.
So können Projekte realisiert werden wie z. B. energetische Sanierungen von Gebäuden, ein neuer großer Kinderspielplatz und ein neues Feuerwehrhaus.
Als Bürger in Fuchstal kann ich deshalb nur sagen: leider endet die Wahlperiode 2026 und damit auch die Zeit von Erwin Karg als Bürgermeister. Wir verlieren einen „Fuchs“ im Tal. Einen ruhigeren Lebensabschnitt hat er sich aber auf jeden Fall verdient.